Weltfrauentag: „Gewalt ist ein
gesellschaftliches Problem“
19.3.2024 | Domkapitular Benedikt Welter,
Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes
Trier nennt zum Weltfrauentag am 8. März
erschütternde Tatsachen: „Alle 45 Minuten wird
in Deutschland eine Frau durch ihren Partner
verletzt oder angegriffen. Jeden Tag versucht
ein Mann in Deutschland, seine (Ex-)Partnerin
umzubringen, und jeden dritten Tag gelingt es
ihm auch“ (in „caritas concret“ 1/2024).
„Das Zuhause ist nicht immer ein sicherer Ort
für Frauen“, sagt Olga Scott, Fachteamleitung
Soziale Dienste bei der
Caritas in Neuwied, und
weiter. „Dabei ist es
wichtig zu wissen, dass
es nicht nur die
körperliche Form von
Gewalt gibt, sondern
viele weitere wie
psychische Gewalt
durch Beleidigungen
und Demütigung, soziale Gewalt mit der Unter-
bindung von sozialen Kontakten und die damit
einhergehende Isolation oder auch
ökonomische Gewalt, wenn die Frau sich in
einer finanziellen Abhängigkeit befindet.“
Zum Internationalen Weltfrauentag am 8. März
fordern die Caritas und der Sozialdienst
katholischer Frauen (SkF) im Bistum Trier, das
Problem der strukturellen Gewalt gegen Frauen
stärker ins Bewusstsein zu bringen. Melanie
Sachtleben, SkF-Diözesanreferentin: „Gewalt
und Übergriffe gegen Frauen werden immer
noch zu oft tabuisiert oder nicht als gesamt-
gesellschaftliches Problem wahrgenommen.
Obwohl es verbindliche rechtliche Grundlagen
zum Gewaltschutz gibt, wie etwa die Istanbul-
Konvention oder das Gewaltschutzgesetz,
werden diese in der Praxis oft nicht umgesetzt.“
Strukturelle Gewalt zeige sich zum Beispiel in
ungleicher Bezahlung von Männern und
Frauen bei gleicher Arbeit oder in einem
Mangel an Schutz- und Hilfeangeboten in
ländlichen Regionen.
Foto aus „caritas concret“ 1/2024
Vor allem das Problem der häuslichen Gewalt
gegen Frauen wird größer. Das Angebot an
Hilfe und Unterstützung reicht bei steigenden
Fallzahlen und immer mehr wohnungsloser
Frauen nicht aus, um allen betroffenen Frauen
zu helfen, sich aus der Gewalt zuhause zu
befreien. „Daher fordern wir den Ausbau von
Schutzräumen und Beratungsangeboten“, so
Sachtleben.
Das Hilfeangebot der Caritasverbände und des
SkF umfasst in der Diözese Trier 6 Träger von
Interventionsstellen (IST), 3 Kinder-Inter-
ventionsstellen, ein SkF-Frauenhaus in
Koblenz sowie Notschlafstellen für Frauen und
„Second stage-Wohnungen“, die nach einem
Frauenhausaufenthalt vorübergehend Schutz
bieten.
In Neuwied und Betzdorf sind die Inter-
ventionsstellen des Caritasverbands Rhein-
Wied-Sieg e.V. Ansprechpartner für Frauen:
Nach Meldung der Polizei finden pro-aktive
Beratungen telefonisch, persönlich oder bei
Bedarf aufsuchend statt und beinhalten
Krisenintervention, psychosoziale Stabili-
sierung, Erarbeiten einer Gefährdungs-
einschätzung und eines individuellen Schutz-
konzeptes, Information über rechtliche Mög-
lichkeiten, z.B. nach dem Gewaltschutzgesetz,
Existenzsicherung, bei Bedarf Weiterver-
mittlung ins Hilfesystem (Beratungsstellen,
Frauenhaus, Anwälte, Jugendamt, Weißer Ring
etc.). Nach einer Gefährdungseinschätzung in
den Fällen, in denen die Frauen einer
schweren und potenziell tödlichen Gewalt
ausgesetzt sind, erfolgt die Zusammenarbeit
mit den beteiligten Institutionen (Polizei,
Jugendamt) im Rahmen eines Hochrisiko-
managements in Form von Fallkonferenzen.
„Kinder sind immer mitbetroffen“, betont Olga
Scott vom Caritasverband in Neuwied. „Im
September 2022 startete die Arbeit unserer
Kinder-Interventionsstelle. In vielen Bezie-
hungen gibt es Kinder, die die Gewalt der
Erwachsenen miterleben müssen. Auch wenn
diese vielleicht nicht geschlagen wurden,
erlebten sie doch psychische Gewalt. Hier ist
es wichtig, ihnen altersgerecht und transparent
die Lage zu erklären.“