Gaspreisbremse reicht nicht
— Klimaschutz kommt zu kurz
Mitglieder der Kommission Gas und Wärme fordern Schritte für Energie-
einsparungen und mehr Schutz für Mieter_innen
Gemeinsames Statement von Eva Maria Welskop-Deffaa (Präsidentin, Deutscher Caritasverband),
Lukas Siebenkotten (Präsident, Mieterbund) und Prof. Dr. Karsten Neuhoff (Leiter der Abteilung
Klimapolitik, DIW Berlin)
Berlin, 8. Februar 2023 | Ziemlich genau 100 Tage nach Abgabe ihres Berichts an die
Bundesregierung, stellen Mitglieder der „ExpertInnenkommission Gas und Wärme“ fest: Wichtige
Empfehlungen wurden nicht umgesetzt. So fehlen bisher nachhaltige Maßnahmen zur Förderung
von Energieeinsparungen. Auch der Schutz von Mieterinnen und Mietern kommt in den bisherig
umgesetzten Maßnahmen zu kurz. Es braucht Moratorien zur Aussetzung von Kündigungen und
Energiesperren.
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritas-Präsidentin: „In unseren Beratungsstellen – in der
Allgemeinen Sozialberatung und in der Schuldnerberatung – erleben wir gerade, wie schnell
steigende Energiepreise Menschen in Existenznöte bringen – Menschen, für die der Gang in eine
Beratungsstelle bislang außerhalb ihrer Vorstellungswelt lag. Sie brauchen Hilfe, um mit den
Preissteigerungen zurecht zu kommen und sie suchen Rat beim Sparen von Heizenergie. Die
Antwort auf die Energiekrise muss aus zwei Pfeilern bestehen: finanzielle Abfederung einerseits,
starke Anreize zum Energiesparen andererseits. Die Gaspreisbremse leistet kurzfristig die
gebotene Abfederung. Jetzt müssen Maßnahmen kommen, die Energieeinsparungen im großen
Stil befördern. Das ist sozial- und klimapolitisch unumgänglich. Aus unserer Caritas-Erfahrung
wissen wir, wie viel passgenaue Energiesparberatung ausrichten kann – professionell, ehren-
amtlich, auf Augenhöhe und im vertrauten Sozialraum. Die Förderung solcher Angebote muss
ausgebaut werden. Jede und jeder soll dazu befähigt werden, energie-fressenden Gewohnheiten
im Alltag den Kampf anzusagen. Es ist unverständlich, dass die Regierung dieses so wichtige Feld
brach liegen lässt.“
Lukas Siebenkotten, Präsident Deutscher Mieterbund: “Die Bundesregierung hat auf die
Umsetzung der von der Kommission empfohlenen Moratorien zur Aussetzung von Wohnungs-
kündigungen und Energiesperren leider verzichtet. Das halten wir für einen Fehler, da bisher auch
kein unabhängiger Hilfs- und Härtefallfonds für Mieter/innen umgesetzt wurde. In der Folge
müssen viele Mieterinnen und Mieter am Ende des Jahres 2023 eine kalte Wohnung und
schlimmstenfalls gar den Verlust ihrer Wohnung befürchten, da viele die hohen Energiepreise erst
im Rahmen ihrer Nebenkostenabrechnung im Laufe des Jahres spüren werden. Deswegen ist eine
vorübergehende Aussetzung von Kündigungen so wichtig.
Darüber hinaus sollten die nicht benötigten Milliarden zur Stabilisierung der Gas- und Fernwärme-
preise nicht ans Finanzministerium zurückfließen, sondern für klimagerechten und bezahlbaren
Wohnungsbau ausgegeben werden. Die sozialen Verwerfungen am Wohnungsmarkt können nur
mit einer nachdrücklichen Investitionsoffensive des Bundes und der Länder gelöst werden.”
Prof. Dr. Karsten Neuhoff, Professor an der TU Berlin und Leiter der Abteilung Klimapolitik
am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): „Einsparen ist die sinnvollste
Energiequelle. Eingespart wurden jedoch lediglich 14 Prozent Gas statt 25 Prozent wie von der
Bundesnetzagentur empfohlen. Die Bundesregierung sollte die konkreten Empfehlungen der
ExpertInnenkommission umsetzen: Die Menschen zu Energieeinsparungen motivieren, zum
Energiesparen befähigen und drittens mit Effizienzverbesserungen Gas sparen. Die energetischen
Sanierungen sollten beschleunigt werden. Eine schrittweise Steigerung der Gebäudesanierungen
von weniger als einem auf vier Prozent pro Jahr und eine Priorisierung auf schlecht gedämmte und
gasbeheizte Gebäude würde bis 2025 jährlich vierzehn Prozent des Gasbedarfs zum Heizen ein-
sparen. Dafür sind klare Zielvorgaben für Sanierungsraten, Mindestenergiestandards für den
Bestand und eine Stärkung der Programme für energetische Gebäudesanierungen notwendig.
Gaseinsparungen sollten auch durch eine sparsamere Nutzung von Grundstoffen realisiert werden,
deren Herstellung den größten Teil des industriellen Gasverbrauchs verursacht: 37 Prozent des
Gases verbraucht die Chemieindustrie, zehn Prozent die Metallerzeugung, neun Prozent die Glas-
und Keramikherstellung und acht Prozent die Herstellung von Plastik. Ein großer Teil dieser
Grundstoffe geht in Verpackungen wie zum Beispiel 40 Prozent des Plastiks. Somit können
Industrie und die Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Verminderung und Vermeidung von
Einwegverpackungen effektiv Gas sparen. Dafür sollte die Politik regulatorische Vorgaben machen.
Wegen des starken Fokus auf LNG-Importterminals werden bisher die Chancen beim Gassparen
verpasst: Flüssiggas könnte international bis 2025 knapp bleiben und hilft nicht, die Klimaschutz-
ziele zu erreichen.“
Hintergrund
Die „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ mit 21 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft
und Verbänden wurde von der Bundesregierung beauftragt, innerhalb von fünf Wochen ab Ende
September 2022 Vorschläge und Empfehlungen für den Umgang mit der Steigerung der Energie-
preise zu erarbeiten. Am 10. Oktober 2022 legte sie einen Zwischenbericht, am 31. Oktober 2022
ihren Abschlussbericht vor. Die am 15. Dezember 2022 vom Bundestag beschlossene Gaspreis-
bremse hat ihren Ursprung in den Empfehlungen der Kommission.
Stellungnahmen der Caritas Deutschland:
caritas.de/…/02-11-2022-winterwarm
caritas.de/…/26-10-2022-stellungnahme
Gaspreisbremse reicht nicht
— Klimaschutz kommt zu kurz
Mitglieder der Kommission Gas und
Wärme fordern Schritte für Energie-
einsparungen und mehr Schutz für
Mieter_innen
Gemeinsames Statement von Eva Maria
Welskop-Deffaa (Präsidentin, Deutscher
Caritasverband), Lukas Siebenkotten
(Präsident, Mieterbund) und Prof. Dr. Karsten
Neuhoff (Leiter der Abteilung Klimapolitik, DIW
Berlin)
Berlin, 8. Februar 2023 | Ziemlich genau 100
Tage nach Abgabe ihres Berichts an die
Bundesregierung, stellen Mitglieder der
„ExpertInnenkommission Gas und Wärme“ fest:
Wichtige Empfehlungen wurden nicht
umgesetzt. So fehlen bisher nachhaltige
Maßnahmen zur Förderung von Energie-
einsparungen. Auch der Schutz von
Mieterinnen und Mietern kommt in den bisherig
umgesetzten Maßnahmen zu kurz. Es braucht
Moratorien zur Aussetzung von Kündigungen
und Energiesperren.
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritas-
Präsidentin: „In unseren Beratungsstellen – in
der Allgemeinen Sozialberatung und in der
Schuldnerberatung – erleben wir gerade, wie
schnell steigende Energiepreise Menschen in
Existenznöte bringen – Menschen, für die der
Gang in eine Beratungsstelle bislang außerhalb
ihrer Vorstellungswelt lag. Sie brauchen Hilfe,
um mit den Preissteigerungen zurecht zu
kommen und sie suchen Rat beim Sparen von
Heizenergie. Die Antwort auf die Energiekrise
muss aus zwei Pfeilern bestehen: finanzielle
Abfederung einerseits, starke Anreize zum
Energiesparen andererseits. Die Gaspreis-
bremse leistet kurzfristig die gebotene
Abfederung. Jetzt müssen Maßnahmen
kommen, die Energieeinsparungen im großen
Stil befördern. Das ist sozial- und klimapolitisch
unumgänglich. Aus unserer Caritas-Erfahrung
wissen wir, wie viel passgenaue Energie-
sparberatung ausrichten kann – professionell,
ehrenamtlich, auf Augenhöhe und im vertrauten
Sozialraum. Die Förderung solcher Angebote
muss ausgebaut werden. Jede und jeder soll
dazu befähigt werden, energie-fressenden
Gewohnheiten im Alltag den Kampf anzusagen.
Es ist unverständlich, dass die Regierung
dieses so wichtige Feld brach liegen lässt.“
Lukas Siebenkotten, Präsident Deutscher
Mieterbund: “Die Bundesregierung hat auf die
Umsetzung der von der Kommission
empfohlenen Moratorien zur Aussetzung von
Wohnungskündigungen und Energiesperren
leider verzichtet. Das halten wir für einen
Fehler, da bisher auch kein unabhängiger Hilfs-
und Härtefallfonds für Mieter/innen umgesetzt
wurde. In der Folge müssen viele Mieterinnen
und Mieter am Ende des Jahres 2023 eine
kalte Wohnung und schlimmstenfalls gar den
Verlust ihrer Wohnung befürchten, da viele die
hohen Energiepreise erst im Rahmen ihrer
Nebenkostenabrechnung im Laufe des Jahres
spüren werden. Deswegen ist eine vorüber-
gehende Aussetzung von Kündigungen so
wichtig.
Darüber hinaus sollten die nicht benötigten
Milliarden zur Stabilisierung der Gas- und
Fernwärmepreise nicht ans Finanzministerium
zurückfließen, sondern für klimagerechten und
bezahlbaren Wohnungsbau ausgegeben
werden. Die sozialen Verwerfungen am
Wohnungsmarkt können nur mit einer nach-
drücklichen Investitionsoffensive des Bundes
und der Länder gelöst werden.”
Prof. Dr. Karsten Neuhoff, Professor an der
TU Berlin und Leiter der Abteilung
Klimapolitik am Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
„Einsparen ist die sinnvollste Energiequelle.
Eingespart wurden jedoch lediglich 14 Prozent
Gas statt 25 Prozent wie von der Bundes-
netzagentur empfohlen. Die Bundesregierung
sollte die konkreten Empfehlungen der
ExpertInnenkommission umsetzen: Die
Menschen zu Energieeinsparungen motivieren,
zum Energiesparen befähigen und drittens mit
Effizienzverbesserungen Gas sparen. Die
energetischen Sanierungen sollten beschleu-
nigt werden. Eine schrittweise Steigerung der
Gebäudesanierungen von weniger als einem
auf vier Prozent pro Jahr und eine Priorisierung
auf schlecht gedämmte und gasbeheizte
Gebäude würde bis 2025 jährlich vierzehn
Prozent des Gasbedarfs zum Heizen ein-
sparen. Dafür sind klare Zielvorgaben für
Sanierungsraten, Mindestenergiestandards für
den Bestand und eine Stärkung der
Programme für energetische Gebäude-
sanierungen notwendig.
Gaseinsparungen sollten auch durch eine
sparsamere Nutzung von Grundstoffen
realisiert werden, deren Herstellung den
größten Teil des industriellen Gasverbrauchs
verursacht: 37 Prozent des Gases verbraucht
die Chemieindustrie, zehn Prozent die
Metallerzeugung, neun Prozent die Glas- und
Keramikherstellung und acht Prozent die
Herstellung von Plastik. Ein großer Teil dieser
Grundstoffe geht in Verpackungen wie zum
Beispiel 40 Prozent des Plastiks. Somit können
Industrie und die Verbraucherinnen und
Verbraucher mit der Verminderung und
Vermeidung von Einwegverpackungen effektiv
Gas sparen. Dafür sollte die Politik
regulatorische Vorgaben machen. Wegen des
starken Fokus auf LNG-Importterminals werden
bisher die Chancen beim Gassparen verpasst:
Flüssiggas könnte international bis 2025 knapp
bleiben und hilft nicht, die Klimaschutzziele zu
erreichen.“
Hintergrund
Die „ExpertInnen-Kommission Gas und
Wärme“ mit 21 Mitgliedern aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Verbänden wurde von der
Bundesregierung beauftragt, innerhalb von fünf
Wochen ab Ende September 2022 Vorschläge
und Empfehlungen für den Umgang mit der
Steigerung der Energiepreise zu erarbeiten.
Am 10. Oktober 2022 legte sie einen
Zwischenbericht, am 31. Oktober 2022 ihren
Abschlussbericht vor. Die am 15. Dezember
2022 vom Bundestag beschlossene Gaspreis-
bremse hat ihren Ursprung in den
Empfehlungen der Kommission.
Stellungnahmen der Caritas Deutschland:
caritas.de/…/02-11-2022-winterwarm
caritas.de/…/26-10-2022-stellungnahme